Wirtschaftspolitische Steuerung Brüssels verengt Spielraum der öffentlichen Wirtschaft

Europa möchte der Schuldenkrise mit verstärkter wirtschaftspolitischer Steuerung von Brüssel aus beikommen. Mithilfe von sechs Maßnahmen will die EU den Spagat zwischen Koordination in der Währungsunion, öffentlicher Haushaltsdisziplin und Umstellung auf ein nachhaltiges Wirtschaftssystem im Einklang mit dem Europäischen Sozialmodell schaffen und dem Trilemma der Währungspolitik beikommen. Über die Reformpläne wird derzeit verhandelt. Doch auf lange Sicht droht eine allein auf die globalen Finanzmärkte abstellende makroökonomische Überwachung der EU-Mitgliedstaaten. KritikerInnen auf der CEEP-Konferenz in Budapest zufolge verenge die teure Korrektur „makroökonomischer Ungleichgewichte“ die Handlungsspielräume auf allen körperschaftlichen Ebenen.

Der „Sechserpack“ prolongiert eine Entwicklung in der EU-Legislative hin zur Verschlankung des Staates. Diese begann – basierend auf der Ökonomie der Chicagoer Schule infolge der Stagflation-Erfahrungen der 1970er Jahre – mit der Einheitlichen Europäischen Akte im Jahre 1986. Auf nationaler Ebene betrieb insbesondere Großbritannien unter Margareth Thatcher aggressive Liberalisierungspolitik. Auf EU-Level dienten, sieht man vom Vertrag von Maastricht einmal ab, vorwiegend Sekundärrechtsakte der Marktöffnung. Ungeachtet dessen bewegt sich der Anteil öffentlicher Ausgaben am BIP in der EU mit durchschnittlich 45 Prozent auf Rekordniveau. Auch sind die Steuerquoten nahezu gleich hoch wie vor 30 Jahren. Und der Bedarf an Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (DAI) steigt mit der Bevölkerungsalterung weiter an.

Ungarns Wirtschaftsminister Zsolt Becsey verteidigte als Vertreter der EU-Ratspräsidentschaft das Steuerungspaket (Economic Governance), verwies aber auf die heterogene Wirtschaftsstruktur der EU-Mitgliedstaaten und ihre Folgen. Ein finanztechnisches Patentrezept gebe es daher nicht. Speziell für Ungarns Kommunen bedeute die Restrukturierung einen notwendigen, wenngleich schmerzvollen Einschnitt. Ihre Autonomie in der Erbringung von DAI dürfe jedoch nicht verloren gehen. Gemäß Edith Kitzmantel, Vorsitzende des makroökonomischen Komitees des CEEP, lassen sich sowohl Markt- als auch Staatsversagen mit zahlreichen empirischen Studien belegen. Aus ihrer Sicht ist a) eine adäquate Steuerbasis weiterhin das Um und Auf für eine nachhaltige Finanzierung von DAI. Die erhöhte Mobilität des Finanzkapitals verlange die steuerpolitische Koordination innerhalb der EU gegen Steuerflucht und -wettbewerb.

Darüber hinaus ist jedoch b) die Art und Weise, wie die Privatwirtschaft in die Erbringung von DAI eingebunden wird, für den CEEP entscheidend. Hierfür braucht es eine solide Rahmengesetzgebung. Ferner sind c) objektive Forschung und die analytischen Kapazitäten der beteiligten Institutionen zu stärken. d) Innovative Finanzinstrumente wie EU-Projektbonds etc. müssen sich erst bewähren. Allheilmittel gegen weitere Belastungen des Fiskus (vgl. Klimawandel, demographischer Wandel, Schuldenkrise, Globalisierung etc.) sind aber nicht zu erwarten. Öffentlich-Private-Partnerschaften etwa erfüllten die in sie gesteckten Effizienzerwartungen bis dato nicht (höhere Finanzierungskosten, komplizierte Kooperation). Auch sind e) private Gesundheitsversicherungssysteme nicht automatisch günstig (vgl. USA).