Nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine gab es weltweit große Unsicherheiten auf den Energiemärkten. Vor dem Hintergrund der ausgerufenen Gasmangellage in Deutschland, einer zusätzlichen Angebotsverknappung durch die beschädigten North-Stream-Pipelines und der massiv ansteigenden Energiepreise wurde die Notwendigkeit einer Reform des europäischen Strommarktdesigns deutlich.
Die im Februar 2023 veröffentlichte Konsultation zur Reform der Gestaltung des EU-Strommarkts stellt die Inhalte des geplanten Legislativvorschlags dar:
Energierechnungen sollen künftig weniger durch Preisschwankungen auf den kurzfristigen Energiemärkten beeinflusst werden. Die Kommission empfiehlt daher, Anreize für bestimmte Langfristverträge bei Endkund:innen zu setzen. Ein „Puffer“ zwischen den oftmals durch die Preise für fossile Energien bestimmten Kurzfristmärkten und den Konsument:innen soll letztere vor hohen Energierechnungen schützen.
Hierbei sind zwei Arten von Langfristverträgen denkbar:
- Power Purchase Agreements (PPA):
Dies sind langfristige Stromliefer- und Strombezugsverträge, die zwischen privaten Vertragsparteien abgeschlossen werden und den Verkauf von Energie zu einem vereinbarten Preis vorsehen. - Two-Way Contracts for Difference (CfD; Symmetrische Differenzkontrakte):
In einem öffentlichen Bieter:innenverfahren wird ein Referenzpreis für Strom festgelegt, der die tatsächlichen Stromerzeugungskosten widerspiegelt. Liegt der Börsenpreis einer Betreiber:in, unter dem festgelegtem Referenzpreis, erhält die Betreiber:in die Differenz des festgelegten Förderbetrags. Liegt der Preis, den eine Betreiber:in an der Börse erhält, über dem festgelegten Referenzpreis, muss die Betreiber:in die Differenz an die Vertragspartner:innen zahlen.
Auch in diesem Modell profitieren beide Vertragsparteien: Stromkund:innen sind ein Stück weit gegen zu hohe Preise abgesichert, Anlagenbetreiber:innen gegen niedrige Börsenpreise.
Für Flexibilitätslösungen, wie Demand Response und Energiespeicher, sollen verbesserte regulatorische Bedingungen geschaffen werden. Beispielsweise könnten Regelungen zur Anpassung der Tarifgestaltung bei den Netzbetreiber:innen kommen, um sicherzustellen, dass alle Flexibilitätslösungen berücksichtigt werden. Ziel ist es, langfristig die Rolle von Erdgas in der Stromerzeugung zu beschränken.
Die im Zuge der aktuellen Energiekrise eingeführten temporären Mechanismen, wie bspw. die Gewinnabschöpfung bei Erzeuger:innen mit niedrigen Grenzkosten, könnten fixe Bestandteile des Strommarktdesigns werden, um sie in künftigen Krisensituationen rasch aktivieren zu können.
Verbraucher:innen und KMU soll dadurch der Zugang zu einem Mindeststromkontingent mit niedrigen Preisen gewährt werden.
Eine Überarbeitung der Verordnung über die Integrität und Transparenz des Energiegroßhandels-markts (REMIT-Verordnung) soll zudem effektivere Untersuchungen von Verdachtsfällen bringen und die Monitoring-Kapazitäten erhöhen.
Weiterer Zeitplan:
Im März 2023 soll der Legislativvorschlag der EU-Kommission veröffentlicht werden. Dieser beinhaltet Änderungen der Verordnung (EU) 2019/943 (Elektrizitätsverordnung), der Richtlinie (EU) 2019/944 (Elektrizitätsrichtlinie) und der Verordnung (EU) Nr. 1227/2011 (REMIT-Verordnung).
Die schwedische Ratspräsidentschaft hofft dadurch auf eine schnelle Einigung im Trialog. Wenn möglich, soll die vorgeschlagene Richtlinie bereits im Herbst 2023 in Kraft treten und die Bürger:innen und Unternehmen in der Heizperiode 2023/2024 spürbar entlasten.